Arbeitszeugnis Max Liebermanns für seinen Pförtner

Eine Schulsekretärin klagte nach dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses gegen den vormaligen Arbeitgeber wegen des erteilten Arbeitszeugnisses. Es ging nicht, wie so oft, um die Bewertung der Arbeitsleistung im Zeugnis. Nein, das Zeugnis war im Wortlaut genau so erteilt worden, wie von der Sekretärin gefordert. Diese glaubte jedoch, im Zeugnis sogenannte verbotene Geheimzeichen zu erkennen, also eine unterschwellige Botschaft des alten Arbeitgebers an einen potentiellen neuen. Das Zeugnis war nämlich mit Silbentrennung formatiert worden, von 59 Zeilen des Zeugnisses enthielten 14 am Ende silbengetrennte Wörter. Gleichzeitig hatte man der Sekretärin aber im Zeugnis attestiert, dass sie Texte „jederzeit sicher, fehlerfrei und mit entsprechendem Schriftbild“ erledigt habe. Mit der umfangreichen Silbentrennung im Zeugnis, so die Ansicht der Sekretärin, werde diese Aussage jedoch konterkariert. Ein Unternehmen, bei dem sie sich mit diesem Zeugnis bewirbt, müsste dadurch glauben, dass guter Schreibstil eben gerade eine Schwäche der Sekretärin sei.

Das Arbeitsgericht Pforzheim sah das anders. Dem hat sich, nachdem die Sekretärin Berufung eingelegt hatte, nunmehr das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg angeschlossen:
Wenn in einem Zeugnis 14 von 59 Zeilen silbengetrennt sind, ist dies weder unüblich noch hervorstechend. Auch mehrere Silbentrennungen in einem Absatz oder, dass es eine seitenübergreifende Silbentrennung gab, ist nicht zu beanstanden. Denn die Maßstäbe, die für literarische Texte gelten mögen, sind nicht für Arbeitszeugnisse anwendbar. Das Zeugnis war, so wie es ausgestellt wurde, völlig in Ordnung.

Die Entscheidung ist wenig überraschend. Leicht kurios ist die einzige Referenz, die das LAG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung, zum Thema Silbentrennung im Arbeitszeugnis nennt. Es ist kein anderes Urteil oder ein Fachaufsatz, sondern Frage und Antworten von www.gutefrage.net. Das Gericht betont ausdrücklich, diese nicht für seine Entscheidung heranzuziehen, zitiert jedoch umfangreich aus den Antworten. Ich verstehe das so, dass das Gericht deutlich machen wollte, wie lächerlich es den Rechtsstreit doch sieht.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.11.2014 – 3 Sa 21/14
ArbG Pforzheim, Urteil vom 21.01.2014 – 2 Ca 258/13


Bild: Arbeitszeugnis Max Liebermanns für seinen Pförtner, 1927, gemeinfrei, Quelle: Wikipedia